Epiphone ES-335 Figured Raspberry Tea Burst

Epiphone ES-335 Figured RTB

Nachdem ich im Laufe der Jahre mit einigen Gitarren namhafter Hersteller unterschiedliche Erfahrungen gemacht habe, war ich einfach neugierig, ob es ein etwas preiswerteres Modell (crafted in China) mit den mitunter fast schon mystifizierten Qualitätsmerkmalen der großen us-amerikanischen Marken und der Fertigung in den USA aufnehmen kann.

Außerdem war das Musikhaus Kirstein für mich eine erfreuliche Neuentdeckung (Empfehlung eines Musiker-Kollegen), denn es bot die o.g. Gitarre im Vergleich zu den bekannten deutschen Händlern zu einem sehr attraktiven Preis an und war sogar in der Lage zu liefern, und zwar innerhalb von drei Tagen!

Um das Ergebnis der Besprechung vorwegzunehmen: Die ‘Epiphone ES-335 Figured RTB’ ist eine wunderschöne Gitarre, die ihrem Vorbild weitgehend entspricht.

Optik/Verarbeitung:
(Etwas irritiert war ich beim Auspacken, denn der Gitarre fehlte ein Regler-Drehknopf; der lag lose in der Originalverpackung. - Er war zwar mit einem Handgriff auf die Poti-Achse aufgesteckt, unerklärlich bleibt mir jedoch, dass dies beim Verpacken der Ware übersehen wurde!)

Bei einer ersten Begutachtung fallen an dem Instrument keinerlei Mängel auf. Man könnte meinen, dass Hals und Korpus aus einem Stück gefertigt wurden; - die Bauteile sind toleranzlos ineinander gefügt, die hochglänzende Lackierung ist perfekt, die Bindings an Hals und Korpus desgleichen. Die Optik des Riegel-Ahorn auf Decke und Boden ist ein Genuss fürs Auge; je nach Lichteinfall und Blickwinkel bekommt man ein anders Bild der symmetrischen Holz-Maserung. - Bei genauerem Hinsehen bemerkt man allerdings beim Farbauftrag auf der Decke geringe Unterschiede in der Intensität (rasperry-tea-burst), was jedoch nicht stört, im Gegenteil, der Charakter der Handarbeit wird so sichtbar.
Auch fallen die rauhen Konturen der F-Löcher im Inneren des Korpus auf; hier hätte man vielleicht ein wenig mehr glätten (sanden) und gleichmäßiger lackieren können.

Weitere kleine Mängel: ein etwas zu hoch stehendes Schlagbrett, vor allem die Abstützung zum Korpus sieht überdimensioniert und ein wenig ungeschickt platziert aus, obgleich die Konstruktion dem Original (inspired by Gibson) entspricht. Nach meinem Geschmack hätte es ein am Pickguard angeschraubter einfacher vernickelter Blechwinkel auch getan.
Die Achse eines Volumen-Reglers bzw. der Drehknopf ‘eiert’ ein wenig.

Handling/Klang:
Mit über drei kg Gewicht erscheint mir das Instrument etwas zu schwer, das ist jedoch der Bauart (massiver Center-Block) geschuldet. Das Griffbrett (indischer Lorbeerbaum) macht einen etwas ‘trockenen’ und rauhen Eindruck, das wird sich hoffentlich nach genügendem Gebrauch ändern. - Bei Lieferung war die Seitenlage nicht optimal eingestellt. - Ich habe die Höhe der Brücke daher mit gutem Ergebnis behutsam durch zwei halbe Umdrehungen der Justier-Schrauben nach unten korrigiert. - Die Wirbel lassen sich gut greifen; die Mechaniken arbeiten tadellos.

Am Verstärker wirken die Tonabnehmer sehr kraftvoll. Mit dem Wahlschalter in Verbindung mit Lautstärke- und Tonregelung lassen sich diverse Klang-Charakteristika erreichen, so ist die ES-335 gleichermaßen für weiche Jazz-Klänge als auch brachial gezerrte Rock-Riffs geeignet.

Ein Koffer wird bei diesem Preis nicht mitgeliefert, man muss ihn gesondert bestellen und bekommt ihn für einen angemessenen Preis, wie die Gitarre so auch er gefertigt in China und nicht zu beanstanden, allerdings ist er nicht optimal ausbalanciert.

Fazit:
Wer nicht den fünffachen Preis für eine in den USA gefertigte Epiphone-Gitarre oder gar den zehnfachen Preis für das Vorbild von Gibson bezahlen will, bekommt mit der hier besprochenen ES-335 ein hervorragendes Instrument, das nicht nur eine Augenweide ist und den Besitzer immer wieder erfreut, sondern auch alle musikalischen Anforderungen bestens erfüllt.

Walter A.