Honni auf Tour – Mission Mischen.

Welchen Herausforderungen muss ein Mischer, der eine Band auf Tour begleitet, gewachsen sein? Wie wichtig ist es, die Band, die man abmischt, gut zu kennen? Welche praktischen Tipps gibt es für einen guten Live-Sound? Kollege Honni gewährt uns im Interview interessante Einblicke ins „Mischer-Leben“ …

Du bist als Live-Mischer für drei Wochen mit der Band Annisokay auf Deutschland-Tour. Was ist für Dich während der Tour die größte Herausforderung?

Honni: Grundsätzlich muss auf Tour immer alles recht schnell gehen, d. h. es bleibt oft wenig Zeit für Technik-Setup und Soundcheck. Man ist jeden Tag in einem anderen Club mit einer anderen PA und einem anderen Mischpult …

„Grundsätzlich muss auf Tour immer alles schnell gehen.“

Im Grunde genommen fängt man also jeden Tag immer wieder von vorne an, muss aber jeden Tag gleichzeitig auch ein möglichst gleichbleibend hohes Level halten, was den Sound angeht. Neben dieser technischen Seite hat man zudem natürlich oft mit übermüdeten und verkaterten Musikern zu tun, die nicht immer dann zur Stelle sind, wenn man sie gerade bräuchte … Und wenn man in so einem Moment auch noch selbst müde und verkatert ist, macht das die Sache auch nicht unbedingt besser … 😉

 

 

Welcher Mischer ist „besser dran“? – Der Mischer, der mit einer Band, deren Soundvorstellungen er sehr gut kennt, auf Tour ist, sich aber jeden Tag mit neuen Räumlichkeiten und neuem Equipment auseinandersetzen muss? Oder der Mischer, der fest in einem Club arbeitet, die Räumlichkeiten und die vorhandenen Technik aus dem Effeff kennt, sich aber mit Bands auseinandersetzen muss, die er zum ersten Mal hört?

Honni: Puh, das ist schwer zu sagen, aber ich denke der Soundmann, der die Band kennt, kann in der Regel den besseren Sound erzielen, jedenfalls in kürzerer Zeit … und das ist nun mal bei einer 90-Minuten-Show entscheidend. – Es bringt ja nichts, wenn die Band dann erst zur Zugabe endlich richtig gut klingt.

Das Entscheidende, warum der Headliner meist den besten Sound des Abends hat, ist, dass der Tonmann (-frau) schon lange mit der Band arbeitet und den Sound der Band dahingehend optimiert, dass sie schon ohne große Bearbeitung am Mischpult gut klingt. Im Grunde: Fader hoch und gut … der Rest ist Kosmetik. Wenn Du dann noch ein eigenes Tourpult dabei hast, gewinnst Du eigentlich immer gegen den lokalen Soundmann.

„Es ist einfach schwieriger, eine Band gut klingen zu lassen,
die man selbst nicht kennt.“

Ob Du jetzt deswegen der bessere Tontechniker bist, muss dadurch allerdings nicht unbedingt feststehen. In den Clubs arbeiten oft hervorragende Leute, aber aus eigener Erfahrung als sogenannter „Local“ ist es einfach schwieriger, eine Band gut klingen zu lassen, die noch keinen eigenen Tonmann hat und dadurch auch nicht die Möglichkeit, auf verlässliches, kontinuierliches Feedback zurückzugreifen. Da passen oft die Signale, die in das Pult reingehen, noch nicht, man muss viel drehen und schrauben, hat dadurch keine Zeit kreativ zu sein, vor allem was Effekte usw. angeht und wenn man einen brauchbaren Sound gefunden hat, sagt die Band den letzten Song an …

„Wenn eine Band schon jahrelange Bühnenerfahrung hat,
merkt man das als Mischer sofort.“

Allerdings kann’s natürlich auch ganz anders laufen. – Ich habe mal auf einem Festival die Band „Mystic Prophecy“ betreut. Die sind im Metal durchaus ‚ne Nummer und haben jahrelange Bühnenerfahrung. Und genau das hat man beim Soundcheck auch sofort gemerkt. Ich musste eigentlich nichts machen und die Band klang schon beim ersten Song derart gut, dass ich sofort Zeit hatte, mich um Reverbs und Delays zu kümmern und den einzelnen Songs ernsthaft zuzuhören. Man will ja schließlich kein Gitarrensolo verpassen! 😉

 

Honni ist als Mischer mit der Band Annisokay auf Tour.
„Manchmal ist es tatsächlich wichtig, von einem anderen Tonmann regelrecht gegrillt zu werden, eine Lektion in Demut zu erhalten und daraufhin bei der nächsten Show wieder 120% geben zu können.“

 

Apropos Gitarrensolo. – Du bist ja selbst begeisterter Gitarrist … Wie schwer oder leicht fällt es Dir eigentlich, die Gitarre beim Mischen nicht zwangsweise in den Vordergrund zu stellen? In den meisten Bands ist es ja erfahrungsgemäß so, dass jeder meint, genau sein Instrument müsse lauter oder dominanter rüberkommen?

Honni: Da gibt es den Spruch eines Bassisten: „Mach den Bass so laut, bis es gut klingt … und dann noch ein Stück lauter…“ 😉

Lustigerweise mische ich trotz meines Gitarristendaseins eigentlich eher Drums-lastig Ich stehe einfach auf so ´ne 80er-Dynamik mit viel Kick und Snare. Ich hasse es, wenn die Drums einfach nur so´n klanglicher Strich in der Landschaft sind. Wenn der Gitarrensound aber ordentlich aufgeräumt ist, das heißt nicht zu viel Bass und Höhen, damit die Gitarren nicht mit dem Schlagzeug konkurrieren, dann klappt das auch super. Und wenn der Gitarrist noch schlau genug ist, für Solos einen Booster zu benutzen oder einfach einen extra Patch/Kanal zu basteln, der einfach einen Tick lauter ist, dann ist´s perfekt.

Allgemein kommt hier halt wieder die Zusammenarbeit mit der Band ins Spiel. Hat man eine Band ein paar Mal gemischt, weiß man relativ gut, wo das Ganze klanglich hinführt. Wenn das mit den Vorstellungen der Musiker korrespondiert: gut. Wenn nicht, dann muss man sich zusammen überlegen, wie man das optimieren kann. Utopische Lautstärkevorstellungen von Bassisten haben hier dann natürlich nix zu suchen.

 

Die Zusammenarbeit mit der Band ist für einen optimalen Sound extrem wichtig.
Die Zusammenarbeit mit der Band ist für einen optimalen Sound extrem wichtig.

 

Welche Dinge hast Du als Mischer on tour eigentlich so dabei? Gibt es eigenes Equipment, auf das Du unter keinen Umständen verzichten möchtest?

Honni: Ich habe immer meine eigenen Mikrofone dabei, jedenfalls sofern sie sich vom gängigen Standard unterscheiden. Ich benutze zum Beispiel an der Kick Drum gerne ein Telefunken M82, das hat aber normalerweise kein Club im Bestand. Vor allem bei den Drums macht es wirklich Sinn, eine komplette Auswahl eigener Mikros dabei zu haben. – Die kann man dann wunderbar vor der Show backstage montieren und muss dann nicht zwingend beim Changeover auf der Bühne anwesend sein.

„Ich habe immer meine eigenen Mikrofone dabei.“

An Gitarre und Bass benötige ich derzeit keine Mikros, da fast alle Bands, die ich fest betreue, mittlerweile Kemper/AxeFX oder so´n Zeug spielen, aber zur Not habe ich auch da ein paar SM 57 dabei. Auch unverzichtbar: mein Paar Shure KSM32 … Ich liebe diese Mikrofone, egal ob als Overhead oder an Gitarren, die klingen immer gut. Dann noch eine Latte an Klemmen, denn ich hasse Mikrostative auf der Bühne. Alles, was sich nicht schon vorab mikrofonieren lässt, nervt … 😉

Bei einer Tour im letzten Jahr hatte ich auch ein eigenes Mischpult dabei, das wir für die Tour ausgeliehen hatten. Das ist natürlich eine feine Sache, aber finanziell leider nicht immer machbar. Aber wie schon zuvor erwähnt, erleichtert es so eine Tour ungemein. Ich hoffe, dass ich mir innerhalb der nächsten Jahre irgendwann mal ein eigenes Pult leisten kann … seufz …

„Ich lerne von jeder Show. – Von den Dingen, die gut waren
und von den Dingen, die schief gegangen sind.“

Wie idealistisch muss man veranlagt sein, um eine Band auf einer längeren Tour zu begleiten? Die große Kohle fließt ja wahrscheinlich – sowohl für die Band als auch für Dich als Mischer – wohl eher selten, oder? Welchen immateriellen Lohn ziehst Du aus so einer Sache?

Honni: Ja, da muss man schon Bock drauf haben… 😉 Klar, die große Kohle fließt hier in der Regel nicht. Nur die größeren Bands können ernsthaft von dem leben was, sie tun und dementsprechend ihre „Angestellten“ wirklich angemessen bezahlen. – Aber es bewegt sich schon immer alles in einem Rahmen, bei dem man sagen kann, dass man die ganze Arbeit doch zumindest noch mit halbwegs gutem Gewissen machen kann.

Außerdem lerne ich von jeder Show, von den Dingen, die gut waren und von den Dingen, die schief gegangen sind. Manchmal ist es tatsächlich wichtig, von einem anderen Tonmann regelrecht gegrillt zu werden, eine Lektion in Demut zu erhalten und daraufhin bei der nächsten Show wieder 120% geben zu können … und wenn´s dann heißt, dass der Sound „wie auf CD“ klang, geht das schon runter wie Öl, ist klar …

Außerdem präsentiert man sich, lernt neue Leute kennen, knüpft Kontakte und bekommt dadurch wieder neue Klienten. Und nicht zuletzt macht es einfach Spaß! Das Tourleben ist zwar anders, als es sich viele vorstellen – in erster Linie sitzt man im Bandbus rum oder im Club und wartet, worauf auch immer – aber wenn man nach einer guten Show einen gepflegten Gin Tonic in der Hand hält und eine gute Zeit mit guten Typen hat, ist das schon ´ne feine Sache! 😉

 

Das Tourleben ist anders, als viele es sich vorstellen. Foto: annisokay.com
Das Tourleben ist anders, als viele es sich vorstellen. Foto: annisokay.com

 

Das schlimmste oder das beste Erlebnis, das Dir als Mischer auf Tour je widerfahren ist?

Honni: Puh, da muss ich nachdenken. – Zum Glück gab es eigentlich noch nie so richtig schlimme Erlebnisse. Technische Probleme sind halt immer ärgerlich, wie zum Beispiel mal bei einem Festival in Dessau erlebt. Erst mal war alles soweit gut: Headliner-Position und mit Abstand der beste Sound des Tages – wobei die Tatsache mit dem besten Sound des Tages vor allem am bei den anderen Bands unterirdischen Sound lag, der wohl der Unfähigkeit oder Unlust des lokalen Mischers geschuldet war, wie mir relativ schnell klarwurde. Naja – und dann kackt beim zweiten Song das komplette rechte Line Array ab … und ab der Hälfte der Show auch noch das linke … nur die Subwoofer liefen noch. Die Band hat´s trotzdem durchgezogen.

„Im Grunde bin ich happy, wenn die Band eine gute Show spielt,
der Sound gut ist und nach der Show nicht alle gleich ins Bett gehen.“

Wobei – jetzt fällt mir noch was ein: Ich habe mal mit einer Band ein paar Support-Shows für „Sacred Reich“ gemacht. Das ist so ´ne Old-School-Metal-Band aus den USA. Wir waren in Mannheim in der Alten Seilerei und die Sacred-Jungs hatten ein Delay von drei Stunden, da die irgendwo an einer Autobahn-Vollsperrung vorbeimussten. Dementsprechend spät waren wir mit dem Soundcheck dran und dann fragt mich der Tonmann, ob ich zufällig weiß, wie man an der dortigen Konsole – es war eine Yamah M7CL – Snapshots speichert. Naja, ich wusste das auch nicht so wirklich und da der Local gerade nicht da war, hab ich mir das mal angeschaut … und prompt versehentlich auf den falschen Knopf gedrückt und die gesamten Einstellungen gelöscht. Ich sage nur: die Jungs waren nicht gerade amüsiert … mein Spitzname auf der Tour war dann „Mr. Recall“ 😉

Highlights waren sicherlich Shows wie auf dem With Full Force-Festival, wenn dann backstage Leute zu Dir kommen und sagen, Du hättest den bisher besten Sound auf dem Festival gemacht (da spielten immerhin auch Bands wie Slayer oder Amon Amarth). – Oder die abenteuerlichen Shows in Russland … ach da gibt´s viele schöne Erinnerungen. Im Grunde bin ich happy, wenn die Band eine gute Show spielt, der Sound gut ist, alle Delays sitzen und nach der Show nicht alle gleich ins Bett gehen… 😉

„Der Nachwuchs wächst im Grunde mit der Vorstellung auf,
dass man alles irgendwie technisch hinbiegen kann,
aber  das ist spätestens auf der Bühne nicht mehr so.“

"Mischpulte sind weder Klär- noch Hexenwerk und können keine Wunder vollbringen!"
„Mischpulte sind weder Klär- noch Hexenwerk und können keine Wunder vollbringen!“

Zu guter Letzt: Honni, hast Du vielleicht noch ein paar praktische Tipps zum Thema „Live Sound“ auf Lager, die Du Bands, die sich noch keinen eigenen Tonmann leisten können, mit auf den Weg geben kannst?

Honni: Ja, klar, gerne. Erstmal: guter Live-Sound hat nicht nur was mit Technik und dem Mann/der Frau, der sie bedient zu tun. Mischpulte sind weder Klär- noch Hexenwerk und können keine Wunder vollbringen. Genau das möchte aber die Industrie den Musikern vormachen. Man sieht es im Studio-Bereich: es gibt immer mehr Korrektur-Tools. Welche, die das Timing eines Drummers korrigieren, welche, die schief gesungene Töne geraderücken und was sonst noch alles.

„Nutzt Bandproben auch, um aufeinander zu hören und so eventuelle Soundprobleme zu entdecken!“

Der Nachwuchs wächst im Grunde mit der Vorstellung auf, dass man alles irgendwie technisch hinbiegen kann, aber das ist spätestens auf der Bühne nicht mehr so. Hier zählt das, was Du an Deinem Instrument wirklich leisten kannst, und da schaut es bei vielen kleineren Bands echt düster aus. Schlechte Arrangements treffen auf schlechte Performance … da kann selbst der beste Engineer nichts rausholen.

Deswegen ist mein Rat an jede Band: übt!!! Lernt, aus Eurem Instrument das Beste herauszuholen, sowohl spielerisch als auch klanglich! Nutzt Bandproben effektiv, nicht nur, um die Songs zu proben, sondern auch aufeinander zu hören und so evtl. Soundprobleme zu entdecken! Wenn ein Gitarrist sich bei der Probe ständig lauter drehen muss, liegt das einfach daran, dass sein Sound nicht passt und ein anderes Instrument den Sound der Gitarre maskiert, das heißt verdeckt. Optimiert Euren Sound bereits vor dem Mikrofon, denn wenn das passt, kann auch ein Tonmann, der Euch nicht kennt, einen guten Sound erzielen – und das vom ersten Song an.

 

 

Infolinks:

http://www.brain2audio.com

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Fotos:

annisokay.com
https://pixabay.com/de/mischer-kn%C3%B6pfe-panel-ton-musik-821537/
https://pixabay.com/de/konzert-live-b%C3%BChne-band-metalband-1748102/

Letzte Aktualisierung:

Dieser Beitrag wurde am von in Beratung veröffentlicht.

Von Jutta Kuehl

Jutta Kühl, PR und Texterin bei Musikhaus Kirstein GmbH.